Ein Rauchbier heisst so, weil Rauch ihm seinen Geschmack gibt, für die Herstellung eines Steinbiers werden Steine verwendet und ein Weizenbier besteht zur Hälfte aus Weizen. Auch, dass der Bierstiel Kölsch irgendwie aus der Region Köln und das Pils ursprünglich aus Pilsen stammen muss, ist mir durchaus verständlich. Kurz der Name eines Bierstiels lässt auf die Herstellung, den Ursprungsort oder die Inhaltsstoffe schliessen.
Was macht der Bock in meinem Bier?
Etwas befremdet schiebe ich mein Glas Bockbier zur Seite. Nicht dass ich da sonderlich zimperlich wäre, ganz im Gegenteil, ich habe schon ganz anderes auf meinen Reisen probiert. Aber irgendwie wäre es ja schon interessant zu wissen, welche Teile oder was von einem Bock denn zur Herstellung verwendet wird, und ihm deshalb den Namen Bockbier gibt. Leider gibt auch die Flaschen-Etikette keinen Aufschluss darüber, welchen Beitrag Böcke bei der Entstehung des Bieres spielen.
Meine Frage nach der Namensgebung des Bockbiers lässt ein paar verwirrende Bilder in meinem Kopf auftauchen. Heisst das, dass die Böcke für einen Weizenbock vorwiegend mit Weizen gefüttert werden? Und was bedeutet das denn für den Bierstil Eisbock? Sind die armen Viecher womöglich irgendwo in den Bergen erfroren? Ich kann mir zwar durchaus etwas unter einem Doppel-Bock vorstellen, doch was das jetzt für mein Bier bedeutet, darüber tappe ich im Dunkeln.
Eine Hansestadt braut Bier
Mein Bierbuch hilft weiter. Und, nach 10 Minuten lesen, nehme ich erleichtert einen weiteren Schluck von meinem Bockbier. Entwarnung – nichts von einem Bock da drin!
Des Rätsels Lösung liegt um das Jahr 1240 in Deutschland. Genaugenommen in der ehemaligen Hansestadt Einbeck in Niedersachsen. Das dort gebraute Bier, das Einbecker Bier, galt als Luxusware und wurde bis nach Italien exportiert. Da aber die Handelsroute von der Nordsee nach Italien durch Bayern führte, blieb diesen das Einbecker Bier nicht lange verborgen.
Gutes Bier muss aus Bayern sein
Ab dem Jahre 1555 wurde der Hof in München mit Einbecker Bier beliefert. Das wiederum belegt, dass die Bayern nicht nur wissen, wie man Fussball spielt, Autos baut und Bier braut, sondern auch ein gutes, importiertes Bier zu schätzen wissen. Allerdings war das Einbecker Bier ab 1612 so beliebt in der bayrischen Bevölkerung, dass dringender Handlungsbedarf bestand, denn ein so gutes Bier sollte ja eigentlich schon aus Bayern stammen. Und so wurde 1614 der Braumeister Elias Pichler aus Einbeck vom Hofbräuhaus abgeworben und dazu verdonnert sein Einbecker Bier fortan in München und somit in Bayern zu brauen. Damit war die Kirche wieder im Dorf und das beliebte Bier kam jetzt aus Bayern.
Was, wenn man es nicht aussprechen kann?
Dumm war nur, dass ein derart leckeres Bier einen solchen Namen hatte. Denn während einem Norddeutschen das Wort «Einbecker Bier» fast wie von selbst über die Lippen rollt, stellt es für einen Bayern eine ernsthafte Herausausforderung an seine gesamte Gesichtsmuskulatur dar. Kurz das «Einbecker Bier» war mit der bayrischen Sprache nicht zu vereinbaren und klang, wenn es dann mal herausgepresst war, nach «Oanpock Bier».
Von nun an hiess das niedersächsische «Einbecker Bier» in ganz Bayern Oanpock Bier, was zwar der bayrischen Sprache sehr entgegenkam, nicht aber der eigentlichen Bier-Bestellung. Denn «Oanpock Bier» heisst auf Deutsch übersetzt «Ein-Bock-Bier». Nun wie bitte bestellt man drei Ein Bock Biere, ohne beim Kellner für Verwirrung zu sorgen? Ich gehe davon aus, dass die häufigste Antwort des Kellners etwa so gelautet haben dürfte: «Willst du jetzt drei Bock Biere oder eines?»
Ein neuer Name löst alle Probleme
Ich kann mir gut vorstellen, dass genau diese Frage der Kellner dazu geführt hat, dass «Oanpock Bier», aus rein praktischen Gründen, zu «Bockbier» vereinfacht wurde. Damit waren gleich zwei Probleme gelöst. Zum einen konnten die Bayern jetzt beliebig viele Biere bestellen, ohne den Kellner zu verwirren. Übrigens hält sich der bayrische Brauch der bierischen Grossbestellung bis heute, wie man unschwer am jährlichen Oktoberfest miterleben kann. Zum anderen war mit «Bockbier» ein Wort gefunden, welches die Bayern ohne grosse Schwierigkeiten so aussprechen konnten, dass es sogar die Deutschen verstanden.
So also kam das «Einbecker Bier» zu seinem heutigen Namen, dem «Bockbier».
Ein Prost auf den bayrischen Zungenbrecher und auf alle Böcke, Doppelböcke und Eisböcke.