Also mal ehrlich: Dieser Huldigungs-Artikel ist längst überfällig. Seit fast zwei Jahren gibt es nun schon diesen Blog und einer meiner absoluten Lieblings-Bierstile hat es bis jetzt noch nicht geschafft, einen eigenen Beitrag zu bekommen? Tzhs… klar, erwähnt habe ich diesen Stil hier schon öfter und natürlich auch, wie sehr und vielleicht auch weshalb ich ihn so mag. Aber nun ist es endlich einmal an der Zeit, ihm die Ehre zukommen zu lassen, die er verdient.
Ein alter Bierstil aus dem 18. Jahrhundert
Beim Barley Wine oder auch Barlewine – beides ist richtig – handelt es sich um einen alten, traditionellen Bierstil, entstanden im späten 18. Jahrhundert. Dazumal begannen nämlich Brauereien, die englischen Adelshäusern gehörten, dieses starke Ale für die Oberschicht einzubrauen. Die Herstellung war aufwändig und kostspielig, denn man brauchte grössere Mengen von allen Zutaten. Deshalb waren die Biere für das Fussvolk schlichtweg nicht erschwinglich. Sie reiften damals schon tatsächlich bis zu einem Jahr in Holzfässern und, auch wenn der Alkoholgehalt doch nicht ganz heranreichte, wollte man nämlich mit diesem edlen Gebräu den Wein ersetzen. Die Weinversorgung der Engländer war aufgrund von diversen heftigen Konflikten mit Frankreich für längere Zeit unterbrochen und so wollte man den Leuten eine Alternative bieten. 1854 stieg mit Bass die erste kommerzielle Brauerei in die Produktion ein. Allerdings konnte sich der Stil bei der breiten Masse nicht durchsetzen. Er reiht sich in die Liste derer Bierstile ein, die erst durch die Wiederentdeckung durch die Craftbier-Szene mindestens bei den Bierfans Bekanntheit und Beliebtheit erlangte.
Barley Wine – Ein Hypbrid aus verschiedenen Stilen
Und warum ist der Barley Wine denn nun genau so beliebt? James Watt und Martin Dickie, die Jungs von „Brewdog“ sagen, ein Barley Wine wäre wie ein Hybrid aus Old Ale, Strong Ale und Vintage Ale. Das hat natürlich etwas für sich, ich würde da auf jeden Fall noch Scotch Ale anführen, beziehungsweise Wee Havy. Wer all diese eben aufgeführten Bierstile kennt, der wird auch den Barley Wine kennen, wer nicht, dem möchte ich das Ganze einmal etwas veranschaulichen:
Barley Wine ist eine komplexe Erfahrung für alle Sinne
Die Aromen sind extrem vielfältig und je nach Rezept individuell. Aber mit Sicherheit immer wuchtig und aussergewöhnlich komplex. Hier können sich die Geschmacksknospen auf so einiges gefasst machen. In der Nase erreichen einen Düfte von Rosinen, dunklen Dörrfrüchten, gebrannten Mandeln, ein wenig Pinie und manchmal auch Anflüge von Citrusnoten. Auf der Zunge setzt sich das Ganze fort und entfaltet sich weiter. Karamell kommt zum Vorschein und auch etwas tropische Früchte. Ziemlich vielschichtig und komplex, wie gesagt. Dabei hinterlässt der Barley Wine ein sehr weiches und samtiges Mundgefühl und hat einen langanhaltenden Abgang, der dank dem Alkoholgehalt von 8-12% auch schön wärmend ist. Auch wenn man immer sagt, dass dieses Getränk fast nicht mit Essen zu kombinieren sei, so darf man sich doch ruhig an folgende Food Pairing-Experimente wagen: Zum einen Stilton. Dieser Käse wird auch oft in Kombination mit rotem Portwein in Verbindung gebracht und da man dieses Bier auch ähnlich geniesst, wie einen guten Port, passt auch diese Kombination super. Und zum anderen dies: Selbstgemachtes schwarzes Mousse-au-Chocolat mit einem Schuss Cointreau.
Barley Wine ist definitiv ein Genuss-Bier
Aber natürlich; Der Barley Wine ist ein reines Genuss-Bier. Ein „Armchair-Beer“ wie die Engländer sagen. Es ist ein idealer Begleiter zu einem Abend, den man mit einer guten Freundin oder einem guten Freund zusammen verbringt oder eben in einem bequemen Lehnstuhl vor dem Kamin. Dazu läuft Mozarts Requiem oder ein Cello-Quartett. Hach ja, so gemütlich kann Bier sein. Und höre bitte nicht auf die ganzen Leute, die sagen, Barley Wine gehe nur im Winter. Das sind dieselben Leute, die auch nur im Winter Käsefondue essen. Ein gutes Bier kann man immer trinken. Punkt. Man muss einfach Lust darauf haben. Und ein grosser Vorteil am Barley Wine ist, dass er nicht gekühlt werden muss, ach was sage ich, nicht gekühlt werden sollte – einen Rotwein stellt man ja auch nicht in den Kühlschrank. Ich kann einfach in die nächste „Drinks oft he World“-Filiale spazieren, mich beraten lassen, einen aussuchen und direkt geniessen. Aber noch besser, natürlich, du machst es wie ich und kaufst dir von den richtig Guten immer noch ein paar auf Reserve, denn ein guter Barley Wine ist ein einzigartiges Degustationsbier für besondere Momente. Ein Bier, das man völlig unbedenklich im Keller über Jahre hinweg lagern kann. Ein paar Barley Wines gehören einfach in jeden gut sortierten Bierkeller.
Meine persönlichen Empfehlungen sind:
Viel Spass beim Degustieren.
Prost!