Jawohl, heute sind wir mal ein wenig off Topic. Natürlich ahnt der geneigte Leser schon worum es hier geht. Brügge liegt in Belgien und Belgien ist das Land der Biere schlechthin. Aber wieso ausgerechnet Brügge und nicht etwa Brüssel? Brüssel ist ja wohl mit Abstand die grösste und bekannteste Stadt Belgiens. Und die ganzen Sehenswürdigkeiten: Das Atomium, das Manneken Pis, die Notre Dame du Sablon, das königliche Schloss und, vor allem für Bier-Fans, das belgische Brauereimuseum und die Brauerei Cantillon… Warum also nicht Brüssel, warum Brügge?
Mit dem VW-Bus durch Belgien
Nun, zum einen ist es so, dass ich das Produkt «Bier» sehr mag. Ganz besonders auch die ganzen belgischen Variationen. Ich stöbere gerne in Bierläden und setze mich auch gerne mal kurz auf ein, zwei Bier in eine Craftbier-Bar. Allerdings kenne ich sowohl die Biergeschichte und weiss auch wie Bier hergestellt wird. Deshalb muss ich nicht auch noch ins zehnte Biermuseum oder auf den siebenundzwanzigsten Brauerei-Rundgang. Und auf Touristen-Sehenswürdigkeiten, kann ich auch gut verzichten. Zudem bin ich nicht unbedingt ein Fan grosser Städte und schon gar nicht, wenn ich dort Autofahren muss. Genau das war aber der Fall, als ich zusammen mit meiner Frau in unserem VW-Bus-Camper in Belgien unterwegs war.
Es muss nicht immer Brüssel sein
Ich war gerade dran mit Fahren, als wir nach Brüssel kamen. Ich also die Autobahnausfahrt runter und immer den Schildern «City-Center» nach, bis keines dieser Schilder mehr sichtbar war. Also Planwechsel und den Schildern mit dem «Atomium-Symbol» nach. Irgendwie habe ich es dann aber geschafft, auch diese aus den Augen zu verlieren. Damit war aber nicht nur meine Orientierung am Ende, sondern auch definitiv meine Geduld. Ich hasse das Autofahren in der Stadt. Meine Frau hat sowohl mit Städten als auch mit Bier recht wenig am Hut, weshalb ich auf niemanden Rücksicht nehmen musste, als ich ganz spontan entschied, auf dem schnellstem Wege wieder raus aus der Stadt und übers Land zu fahren.
Brügge ein Schmuck-Stück
So fuhren wir fröhlich durch die schöne Gegend und trafen irgendwann auf das in Westflandern gelegene Brügge. Hier beschlossen wir den Bus vor den alten Stadtmauern stehen zu lassen und das Städtchen zu Fuss zu erkunden. Da Brügge in keinem Krieg bombardiert wurde und auch nie einem Grossbrand zum Opfer fiel, sieht die Altstadt, die von Schutzwällen und Kanälen umgeben ist, aus, wie ein grosses, mittelalterliches Freilichtmuseum. Sie wird von Kanälen durchzogen, die man per Boot erkunden kann, oder wer ganz touristisch drauf ist, lässt sich von einer der Pferdekutschen durchs Dorf schunkeln. Die Sehenswürdigkeiten hier sind unter anderem der grosse Marktplatz, die diversen Stadttore und Windmühlen oder die verschiedenen Kathedralen und Kirchen (unter anderem die Liebfrauenkirche mit der Brügger Madonna von Michelangelo und der Ruhestädte von Karl dem Kühnen. – Und ja, das habe ich jetzt gegoogelt.)
Hinterhöfe habe es in sich
Aber wir Bierfans interessieren uns ja mehr für Biershops und -bars sowie für Brauereien. Und auch hierfür ist man in Brügge genau richtig. Vom kleinen, gemütlichen Bier Café, über Pubs mit riesiger Bierkarte bis zu modernen, coolen Craftbier-Bars findet man hier alles, was das Herz begehrt. Ganz ähnlich sieht es mit den Bierläden aus. Allerdings findet man schon in der Altstadt lustige Souvenir-Shops, die oft einen fast schon versteckten, hinteren Teil haben, der mindestens nochmals so gross ist. Und dieser «hintere Teil» hat es in sich, denn er ist ausschliesslich für belgisches Bier. Zum Teil findet man in solchen Läden schon alle Trappistenbiere oder ältere Jahrgänge von Geuzen.
De halve Maan
Ein richtiges Highlight habe ich per Zufall entdeckt: Die alte, traditionelle Brauerei «De halve Maan». Sie wird seit 1856 als Familienbetrieb geführt und braut neben den Bieren «Brugse Zot» und «Brugse Bok» auch die «Straffe Hendrick-Biere», welche bei den Bierfans unter unseren Kunden, sowie unserem Personal äusserst beliebten sind. Ein Bruin, ein Tripel und ein Quadrupel, die allesamt keine Feinschmecker-Wünsche offenlassen. Die Brauerei «De halve Maan» befindet sich logischerweise inmitten des alten Kernes der Stadt, wo die Strassen schmal sind und die Häuser nahe beisammenstehen. Man muss wirklich den Kopf zum Himmel emporheben, um die Tanks zu entdecken und somit eine Brauerei zu erkennen. Die Abfüllablage steht ausserhalb, in einem anderen Stadtteil. Als der Bierausstoss immer grösser wurde, war es fast nicht mehr zumutbar, dass sich drei- bis viermal pro Tag riesige Tanklaster durch die mit Touristen gefüllten Gassen kämpften und man kam auf eine Idee, die der Bürgermeister damals auf Anhieb für verrückt hielt. Man wollte eine unterirdische Pipeline von der Brauerei zur Abfüllanlage bauen. Als die Anwohner das mitbekamen, boten einige zum Teil viel Geld für einen privaten Anschluss, was die Brauerei wiederum auf den Gedanken brachte, einen Grossteil der Baukosten via Crowdfunding zu finanzieren. Der höchste Betrag, der gezahlt werden konnte, war 7‘500 Euro. Dafür bekommen die Investoren jeden Tag eine Flasche Bier, bis an ihr Lebensende.
Perfekt, wie im Paradies
Mir persönlich wäre das ja zu viel des Guten. Ich geniesse die Abwechslung und genoss in ihrem kleinen, hübschen, gemütlichen Biergarten nach der Brauereibesichtigung ein, zwei Bier. Vielleicht waren es auch drei. Das Wetter war wunderbar und es war angenehm still.
Ferien in Brügge. So schön… Und damit natürlich ein grosses Prost auf alle belgischen Biere und natürlich auf die belgischen «Hinterhöfe» mit ihren Bierschätzen.