Jedes Bier ist, auch ein Lagerbier, eine sehr komplexe Sache und veranstaltet ein regelrechtes Feuerwerk der Sinne im Gaumen und in der Nase. Bevor ich, in einem späteren Blog, darauf eingehe, wie man Bier richtig degustiert, will ich mich damit beschäftigen, wie Bier sensorisch wahrgenommen wird und was da genau abläuft.
Und warum ist das wichtig?
Ich sag’s mal so… Wenn ich ein Brett an die Wand nageln will, dann ist es sehr hilfreich, wenn ich weiss, wie Hammer, Nagel und, im dümmsten Fall, Verbandszeug funktionieren und zusammenspielen. Genau so ist das beim Bier-Verkosten. Das Ziel ist ja nicht einfach ein Bier zu trinken, sondern es in seiner ganzen Geschmacks- und Geruchsvielfalt wahrzunehmen und diese Eindrücke dann auch noch zu beschreiben.
Ich fange mal mit dem «einfacheren» Tool an, der Zunge (und dem Mund-Innenraum). Die Zunge kann nur fünf Geschmacksarten unterscheiden: Salzig, sauer, süss, bitter und umami. Umami ist aus dem Japanischen geborgt, da wir für diesen Geschmackssinn noch nicht mal ein Wort im Deutschen oder Englischen haben. Es bedeutet in etwa soviel wie schmackhaft, würzig, spielt aber beim Bier eher selten Rolle.
Aber mit nur fünf Geschmäckern lässt sich zugegebenermassen auch das fadeste Bier nicht wirklich ausreichend beschreiben. Wie kann es also sein, dass ein Bier nach Nüssen oder getrockneten Aprikosen schmeckt? Ganz einfach… In Tat und Wahrheit schmecken wir nichts, das die Wahrnehmung von süss, sauer, salzig, bitter oder umami übersteigt, sondern wir riechen es. Wir glauben lediglich es zu schmecken.
Aber bevor wir uns mit dem Geruch beschäftigen, möchte ich noch kurz ausführen, was denn die Mundhöhle in Sachen Bierverkostung so zu bieten hat. Die Sinneszellen des Mundraumes geben uns klare Hinweise über Textur, Dichte, Viskosität, Perlage, Rezenz, Trockenheit und natürlich die Wärme, sprich die Temperatur. Das ist ja schon eine ganze Menge, aber die Mundhöhle erkennt auch Schärfe, was tatsächlich kein Geschmack, sondern ein Schmerz ist.
Ein Bier kann also weich und rund sein, oder Ecken und Kanten haben. Es kann samtig, seiden oder ölig sein. Frisch und knackig oder dickflüssig. Probiere es ruhig mal aus: Nimm einen Schluck Bier, schliess die Augen und «erfühle» es in Deinem Mund. Es bracht zwar etwas Übung, aber es wird Dir garantiert Spass machen.
Die Nase ist unser wichtigstes Instrument
Und damit sind wir bei unserem wichtigsten Tool, dem Geruchssinn angelangt. Erst mal ein paar Fakten zur Einleitung. Der Mensch kann etwa 10.000 verschiedene Gerüche erkennen und unterscheiden. Aber die meisten von uns können lediglich einen winzigen Bruchteil von diesen Gerüchen auch benennen. Und, um es ganz genau zu nehmen, wir können lediglich 20 bis maximal 30 Gerüchen einen Namen geben. Top-Experten in der Parfum-Industrie und die Crème de la Crème der Sommeliers bringen es nach jahrzehntelangem, täglichen Training auf etwa 170 Gerüche, die sie beschreiben können.
Es gibt zwei Arten von riechen: Nasal und retronasal
Wie der Name vermuten lässt, ist nasal alles, was durch die Nase reinkommt als das, was wir offensichtlich riechen. Nicht ganz so offensichtlich ist es mit dem retronasal, denn da kommt der Geruch so zu sagen durch das «Hintertürchen» in unsere Nase. Also erst, wenn das Bier mit dem Mundraum in Berührung gekommen ist. Das ist denn auch die Begründung, dass wir überzeugt sind, ein Bier schmecke nach Nüssen. Wir riechen es, sind uns dessen aber nicht bewusst.
Eigentlich ist es egal, ob wir nun wirklich schmecken oder riechen und ob ich nun einen Namen für 10, 20 oder 30 verschiedene Gerüche habe. Solange ich weiss, wie meine Tools zusammenspielen, kann ich anfangen diese zu «trainieren». Die Kunst beim Verkosten eines Bieres ist also, den Geschmack, das Gespühr in der Mundhöhle und den Geruchssinn zu schärfen, damit wir ein Bier so beschreiben können, dass uns jeder versteht.
Und bei dieser Beschreibung helfen uns Vergleiche mit Geschmäckern, die halt jeder kennt. Deshalb sagen wir, dass ein Bier nach getrockneten Früchten, geröstetem Brot, Toffee und so weiter schmeckt. Aber damit man erkennt, welche vertrauten Geschmäcker dem verkosteten Bier am nächsten kommen, braucht es Übung. Also keine Sorge, wenn es mit der Beschreibung nicht auf Anhieb passt. Etwas Zeit und etwas Geduld helfen.
Cheers auf Dein nächstes Beer Tasting und beschreibe es mit Worten, die Dir als erstes in den Sinn kommen, denn die treffen meistens den Nagel ziemlich genau auf den Kopf.