Hallo, schön, dass du hier immer noch reinliest. J
Im letzten Beitrag habe ich ja geschrieben, dass ich mir ein Lagerbier-Revival aus der Craftbier-Szene wünsche, da ich gerade einen IPA-Koller auskuriere. Nun die Chance, dass das tatsächlich passiert steht fifty / fifty. Das erscheint jetzt doch erstmal ziemlich hoch, da es sich ja um einen rein persönlichen Wunsch meinerseits handelt. Also, wie komme ich denn auf eine so optimistische Schätzung? Nun, ich muss zugeben, ich habe ein wenig geschummelt, als ich das geschrieben habe, denn ich habe nämlich das Gefühl, irgendwo gelesen zu haben, dass es sich bei Lagerbier tatsächlich um einen neuen, kommenden Trend handelt.
Craft-Lagerbier könnte ein neuer Trend werden
Na, das sind doch mal, zumindest für mich, gute Neuigkeiten, und so klingt 50:50 plötzlich wieder nach wenig. Weshalb sollte dieser Trend denn nicht kommen? Nun, ich weiss zum Beispiel, dass es schon viele der sogenannten Trends, die von weiter herkommen, nicht bis zu uns geschafft haben. Das „Brut IPA“ zum Beispiel, das als Alternative zum doch ziemlich fruchtigen New England IPA gedacht war. Die Idee war ein spezielles Amylase-Enzym einzusetzen, das sonst bei Porter und Stouts verwendet wird, um sie etwas schlanker zu machen. Oft wurde auch Champagnerhefe eingesetzt. Das ganze klang vielversprechend und recht schnell machten einige namhafte US-Brauereien mit. Als ich das mitbekam, wollte ich natürlich, dass wir sofort solche Biere ins Sortiment aufnehmen, aber es war ein Ding der Unmöglichkeit. Kein Importeur wollte mitmachen. Das war vor zwei Jahren. Ein paar Monate später entdeckte man auch das eine oder andere Brut IPA in Europa und, obwohl der Stil von vereinzelten Bierfans als neuer Trend ausgerufen wurde, verlief er sich doch im Sand.
In Deutschland zeichnet sich der neue Trend bereits ab
Und hier sprechen wir immerhin von einem neuen Bierstil. Weshalb sollte man also ausgerechnet auf ein Revival des Bierstils warten, deren „Langweiligkeit“ für die Kreativität der jungen wilden Brauer mitverantwortlich ist? ICH weiss die Gründe und ich habe sie im letzten Artikel und im Lagerbier-Artikel ausgeführt, aber erkläre das mal einem eingefleischten IPA-Fan… Ich bleibe skeptisch. Oder doch optimistisch? Ich kann mich nicht entscheiden. Die aktuelle Ausgabe des „Meininger’s Craft“-Magazins, eine nun wirklich ernst zu nehmende und kompetente Lektüre, nimmt das Thema gleich über drei Seiten auf. Der unter dem Titel „Highway to HELL“ erschienene Artikel wird eingeleitet mit dem Satz: „Kaum ein klassischer Bierstil befindet sich wohl auf einem derart anhaltenden Höhenflug wie das Bayerisch Hell.“ Aha. In Deutschland ist das also bereits schon ein Trend. Das lässt ja schon mal hoffen. Weiter steht da: „Als verantwortlich für den Helles-Trend gilt vor allem die Augustiner Brauerei in München. Mit den Sorten Edelstoff und Hell baute sich die 1328 gegründete Braustätte vor allem bei jungen Leuten einen wahren Kultstatus auf.“
Irgendwann langweilt sich auch der grösste IPA-Fan
Ja! Das stimmt. Diese beiden Biere haben auch in unseren Läden in letzter Zeit extrem angezogen. Unglaublich, wirklich. Es geht also gar nicht um Craft-Brauereien, die wieder vermehrt Lager machen, sondern um alte, traditionelle Brauereien, die wieder im Kommen sind. Vielleicht sogar als Gegenbewegung zu der ganzen Craftbier-Szene, die sich mit ihren ausgefallenen und möglichst originellen Suden langsam im Kreis zu drehen beginnt? Erinnerst du dich noch an den Artikel „Den Finger am Puls der Craft Bier-Szene“? Dort habe ich einen anderen Blogartikel von Bierversuche.ch kommentiert, der das Jahr 2019 als Zitat: „Ein Jahr der Sättigung und des Stillstandes“ betitelte. Ich meinte, dass wir das in den Läden noch nicht so wahrgenommen haben, aber so langsam muss ich mich dieser Meinung anschliessen. Wenn man nicht schnell davon wegkommt, möglichst noch eine neue IPA-Subkategorie erfinden zu wollen oder sich zu überlegen, mit welcher Frucht man noch kein Double dry hopped Double Session Single Hop IPA gemacht hat, werden die Kunden gelangweilt. Das dürfte dann der Startschuss sein, dass man sich wieder auf alte, traditionelle Bierstile zurückbesinnt, die auch von alten traditionellen Brauereien gebraut werden. Denn die machen das richtig gut. Augustiner sind da nicht alleine. Auch Tegernseer gehört in diese Kategorie oder die leckeren Weizenbiere von Schneider oder die Rauchbiere von Schlenkerla oder tschechischen Pilsener oder die ganzen Belgier, und, und, und…
No big thing is the next big thing
Und was sind denn nun gerade die neuen Trends in den USA?
„LO CAL IPA“. Ein neuer Bierstil als Antwort auf die gerade extrem trendigen Hard Selzer. Das ist leider kein Witz. Es hätten ja auch LO CAL SOURS sein können, z.B. Aber war ja klar… Allerdings gebe ich diesem Trend auch keine grössere Chance als 50:50.
Also, ich werde mich ganz bestimmt nicht von den ganzen Craftbieren abwenden, dafür gibt es einfach immer noch zu viele gute Sachen, aber ich bin natürlich schon etwas desillusioniert. Ich denke nicht, dass es ein „Next Big Thing“ geben wird. Auf keinen Fall ein so grosses Ding wie das IPA-Ding. Macht aber nichts. Ich habe mich nämlich auch schon dabei ertappt, wie ich zwischendurch wirklich gerne ein gutes traditionelles Bier, sei es nun Lager, Pils oder Weizen geniesse. Das hat einfach ganz ehrlich auch was. Und diese Biere wurden meiner Meinung nach in letzter Zeit einfach etwas vernachlässigt und haben durchaus ein Revival verdient.
Prost!