Kleine Bierstil-Kunde (Teil 2)

Hier habe ich von meinem IPA-Overkill erzählt. Nun, unterdessen hat sich das wieder etwas gelegt. Nachdem lange Zeit sehr vieles sehr ähnlich geschmeckt hat, versuchen nun die Brauereien wieder etwas mehr Abwechslung in das Thema zu bringen. Manchmal sogar innerhalb desselben Stiles. Und ja, ich könnte abendfüllend alleine über die Unterstile des IPAs referieren. Double-, Triple-, Imperial-, Black-, White-, Sour-, Dry hopped, Double Dry hopped-, East Coast-, West Coast-, New England- und Pastry- bzw. Milk Shake IPAs sind aktuell so die gängigen Stile. Das sind fast so viele Unterkategorien wie beim Heavy Metal, aber Spass beiseite. Wir wollen uns heute mal den drei wichtigsten kurz annehmen:

 

Das IPA (India Pale Ale)

Das Bier, welches die ganze Sache ins Rollen gebracht hat. Hierbei handelt es sich um einen alten, englischen Bierstil. Im 19. Jahrhundert wurden in England und Schottland die Pale Ales, um für die langen Wege nach und innerhalb Indiens haltbar zu machen, für die britischen Kronkolonien stärker eingebraut und der Hopfengehalt erhöht. Dies war nötig, da Kühlräume zu dieser Zeit noch nicht existierten. Geplant war, dass die Biere am Zielort wieder verdünnt werden, worauf allerdings je länger je mehr verzichtet wurde. Ein klassisches IPA hat einen sehr kräftigen und intensiven Geschmack. Zu Beginn der Craft-Beer-Revolution wurde dieser Stil von kleineren, unabhängigen Brauereien wieder entdeckt. Wobei gerade bei modernen IPAs durch Aromahopfen wie z.B. Nelson Sauvign, Amarillo oder Cascade eine fruchtigere Note beigegeben wurde. Einige Jahre später wurde dieser Stil auch von europäischen Brauereien aufgegriffen, während sich die ersten amerikanischen Brauereien bereits wieder an die originale Interpretation heranwagten. So kommt es, dass nun das Reverenzbier für den ursprünglichen englischen Stil aktuell aus den USA kommt. Das Stone IPA. Modernere Versionen lassen sich en mass finden. Das wichtigste, da das erste, das grossflächig auf dem europäischen Festland zu haben war, ist bestimmt bis heute das „Punk IPA“ von Brewdog.

 

Das New England IPA wird geboren

Nun, da absehbar war, dass sich dieser Stil immer grösserer Beliebtheit erfreuen, und langsam sogar auch ausserhalb der Craft-Beer-Szene Fuss fassen würde, wurde munter drauf los experimentiert. All die oben erwähnten Stile wurden kreiert, aber es dauerte einige Jahre, bis sich einer davon deutlich absetzen konnte und sich plötzlich einer ungeahnten Popularität erfreute. Das in den New England Staaten an der US-amerikanischen Ostküste entstandene New England IPA oder kurz NEIPA. Ein NEIPA ist nochmals deutlich fruchtiger, als es ein modernes IPA ohnehin schon ist. Fast schon saftig kommt es daher und der Eindruck wird dadurch, dass es immer unfiltriert ist, nochmals verstärkt. Nicht selten hat man das Gefühl, einen Orangensaft im Glas zu haben. Das Bier wird „Dry hopped“ also kalt nachgehopft, um möglichst viel Aroma der fruchtigen Hopfensorten ins Bier zu bekommen. Oft schwingt auch eine angenehme, dezente Malzsüsse mit.

 

West Coast IPAs passen zu kräftig/scharfen Speisen

Ganz anders das West Coast IPA. Der malzig, süsse Charakter ist zwar vorhanden, tritt aber mehr in den Hintergrund. Bei diesen Bieren darf die Hopfenbittere dominieren. Auch hier werden haufenweise Aromahopfen verwendet, allerdings wird die komplette Hopfengabe im Tank mitgekocht, sodass sich eben auch möglichst viele Bitterstoffe lösen und in die Aromatik des Bieres mit einfliessen. Hier wird nicht nachgehopft und das Bier erhält so, obwohl ebenfalls relativ weich und rund, einen doch deutlich trockeneren Charakter. Kiefernartige und harzige Noten sind oft wahrzunehmen und im Grossen, Ganzen kann man sagen, dass sie schon etwas komplexer sind als ihre Kollegen aus der gegenüberliegenden Küste. Während ein New England IPA eine wunderbare Erfrischung darstellt, gerade jetzt im Sommer, passt ein West Coast IPA super zu einem kräftigen oder scharfen Essen. Wie ein „normales“ IPA.

 

Die ewige Rivalität zwischen West and East Coast lebt weiter

Die Rivalität in den USA zwischen West Coast und East Coast scheint sich nicht nur auf Sportarten und den Gangsta-Rap zu beschränken, sondern ist auch für Bier-Stile gültig. (Die NEIPAs hiessen lange auch East Coast IPAs – heute scheint es beides zu geben, allerdings werden die Unterschiede, logischerweise umso kleiner, je mehr Stile es gibt, was meiner Meinung nach nicht wirklich hilfreich ist.) So scheint es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten keine „normalen“ IPAs mehr zu geben. Bei meiner Recherche zu diesem Artikel wurde mir als Reverenz für ein West Coast-IPA jedenfalls das von mir oben erwähnte Stone IPA angezeigt.

 

Biervielfalt lädt zum Entdecken ein

Ja, das ist alles ziemlich verwirrend. Trotzdem habe ich immer noch Freude an der ganzen Biervielfalt und möchte noch, bevor ich prüfe, was mein Kühlschrank noch so an IPAs hergibt, nochmals betonen, wie schade ich es finde, dass es Leute gibt, die immer nur dasselbe Bier trinken, oder von mir aus auch dieselben zwei oder drei. Wer sich nicht durch die Biervielfalt probiert, der kann auch die ganzen Schätze, die sie bereit hält, gar nicht entdecken. Und auch wenn immer wieder mal eines dabei ist das jetzt nicht so der Burner war, so habe ich doch tatsächlich schon viele und auch richtig tolle Schätze entdeckt.

In diesem Sinne… bleib neugierig!

Cheers!

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