Craft-Bier in einem Land ohne Bierkultur

In der Schweiz, Deutschland und in vielen anderen Ländern, wird Bier seit Jahrhunderten gebraut und ist fester Bestandteil der Kultur. Dass sich die Rückbesinnung auf Craft-Bier in solchen Ländern durchgesetzt hat, dürfte wohl nur wenige erstaunen. Spannend wäre es aber, zu sehen, ob Craft-Bier in einem Land mit einer ausgesprochenen NICHT-Bierkultur ebenfalls ein Thema ist. Also habe ich mich auf die Suche nach einem NICHT-Bier-Land gemacht – und habe eines gefunden!

Südkorea hat keine Bierkultur

Bevor ich loslege, eine kurze, nützliche Empfehlung an alle Korea-Fans, Liebhaber von Kimchi und an alle, die sich vor Aufregung in die Finger beissen, nur weil sie BTS hören: Nehmt es mit Humor!

2010 hat die WHO eine Statistik über den Alkoholkonsum pro Kopf erstellt, welche sich wie folgt zusammenfassen lässt:

Diese Zahlen zeigen recht deutlich, dass Koreaner zwar dem Alkohol nicht abgeneigt sind, aber Bier keine nennenswerte Stellung einnimmt.

Korea – GESTERN

Drehen wir zur Einleitung das «Rad der Zeit» um ca. 15 Jahre zurück. Steht man in einem koreanischen Supermarkt vor dem kleinen Kühlregal mit Bier, dann sieht man neben den drei heimischen Biermarken CASS, Hite und OB ganz unten, irgendwo in einer Ecke, noch zwei, drei Import-Biere. Dass es von den lokalen Marken nur ein bis zwei verschiedene Biere gibt und, dass diese alle in etwa gleich schmecken, macht die Wahl wirklich einfach. Ausländische «Neulinge» gehen dann erst mal wieder vor den Laden, um sich zu vergewissern, ob sie nicht zufällig in einer Apotheke gelandet sind. Aber nein… das war es wirklich. Drei Marken – ein Geschmack. Soviel zur koreanischen Biervielfalt.

Eiskalt ist knapp kalt genug

Und wie schmeckte das Bier? Naja, es ist schwer diese Biere, ohne ein Grinsen im Gesicht zu beschreiben. Höflich ausgedrückt – eine recht «leichte» Sache. Aber es ist Bier – mindestens steht das auf der Dose. Aber in der Sommerhitze gibt es fast nichts Besseres. Damit muss auch gleich gesagt werden, dass Koreaner Bier kalt trinken – am liebsten so um den gefühlten Gefrierpunkt. Und damit das Bier nicht sofort im Glas auftaut, werden Biergläser im Tiefkühler aufbewahrt, bis sich eine Eisschicht bildet. Etwas überspitzt formuliert, wenn weder die Finger noch die Lippen am Glas anfrieren, war das Bier zu warm.

Koreanisches Bierverständnis von damals

Das koreanische Verständnis von Bier kann in etwa folgendermassen beschrieben werden: Bier ist gelb, macht Schaum (sofern man genügend drin rumstochert) und wirkt am besten, wenn man Soju (eine Art Schnaps) hinzufügt. Bier war mehr oder weniger «Nebengetränk» zu Whisky, Soju und frittiertem Huhn. So quasi, damit der Flüssigkeitsbedarf gedeckt ist. Alles in allem war gestern die koreanische Bierkultur eine recht harmlose Sache, welche nahelegt, dass es eigentlich keinen Bedarf für Craft-Bier gibt. Denn wenn ein ganzes Land damit zufrieden ist, Bier mit Schnaps zu «würzen» und Bier weder cool noch hype ist, dann braucht es ja wohl auch kein Craft-Bier.

Nicht Craftbier-Bewegung, sondern -Sprung

Und heute? In fast jedem Supermarkt in Seoul – Bier so weit das Auge reicht. Alles mit Rang und Namen ist vertreten, CASS, OB und Hite bieten jeweils mindestens zehn verschiedene Biere an und in Sachen Bierstile werden auch gehobene Ansprüche erfüllt. Gleichzeitig scheint es fast, dass jede Bar und jedes Pub eine beinahe unübersichtliche Menge an selbstgebrauten, lokalen und importierten Craft-Bieren anbieten. Kurz, der koreanische Biermarkt ist heute schon fast mit der Biervielfalt in der Schweiz vergleichbar.

Die Schweiz hat für den Schwenker hin zu Craft-Bier zwischen 10 und 15 Jahre benötigt. In Korea hat dieser Schwenker, respektive Sprung gerade mal zwei Jahre gedauert. In nur zwei Jahren wurde Biertrinken cool, und es kann gar nicht mehr abgehoben genug sein. Wenn es bis vor wenigen Jahren fast ausschliesslich Lagerbier gab, können heute Bierstile gar nicht ausgefallen genug sein.

Jedem Land seine Craft-Bier-Bewegung

Am Beispiel Korea zeigt sich sehr deutlich, dass die Craft-Bier-Bewegung fast in jedem Land so individuell wie Craft-Bier selber ist. Obwohl Korea keine Bierkultur in unserem Sinne hat, hat sich Craft-Bier äusserst schnell und nachhaltig etabliert.

Stellt sich abschliessend die Frage, wie eine so schnelle Wendung möglich ist. Nun, ich bin der Überzeugung, dass Craft-Bier weniger die Art und Weise des Bierbrauens ist, sondern vielmehr Hand in Hand mit einem Lifestyle geht. Wenn Biergenuss cool wird und die Craftbier-Welle eine grosse Zielgruppe mitreisst, dann entsteht eine neue Bierkultur. Ein Bierkultur die sich halten wird auch wenn traditionelle koreanische Biere noch immer den Grossteil des Bierkonsums stellen.

Nachdem K-Pop, Kimchi und der Hüpfer aus Gangnam den Weg zu uns geschafft haben, freue ich mich bereits heute, bis die ersten koreanischen Craft-Biere in der Schweiz ankommen. Lange dürfte das wohl nicht mehr dauern.

Und damit ein grosses Prost auf die Craftbier-Welle, die auch Nicht-Bierländer mitreisst und in ihren Bann zieht.

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