Die Meisterschaften der Biersommeliers und Biersommelières

Jeden Sommer bekomme ich Mails vom Schweizer Brauerei-Verband (SBV). Nicht, dass ich nicht auch sonst Post von denen bekommen würde, aber immer im Sommer ist es etwas mehr als sonst. Gefühlt lesen sich die Mails in etwa so: „Geschätzter Biersommelier, bald steht die Schweizer Meisterschaft der Biersommeliers an.“, „Die Anmeldung für die Schweizermeisterschaft der Biersommeliers ist ab sofort eröffnet.“, „Die Anmeldefrist […] läuft noch bis…“, „Die Anmeldefrist ist vorbei, aber bis zum… können noch Nachmeldungen angenommen werden…“ kurz, man macht Werbung für die Schweizer Meisterschaft der Biersommeliers. (Warum sie nicht offiziell „Schweizer Meisterschaft der Biersommeliers und Biersommelières“ heisst, erschliesst sich mir nicht ganz. Und zwar nicht nur weil heutzutage „gendern“ einfach zum guten Ton gehört, doch dazu gleich mehr.)

Frauen haben die Bierszene schon längst erobert

In meinem Artikel „Frauen und Bier“ habe ich ja bereits ausgeführt, dass es immer mehr Frauen mit einer unglaublichen Bierkompetenz gibt. Chefinnen von Brauereien, Brauerinnen und eben ganz viele Biersommelières. In meinem direkten Umfeld sind das konkret drei. Und mit denen verhält es sich ähnlich, wie mit den Mails des Brauereiverbandes. Sie besuchen mich ab und zu im Laden, fachsimpeln ein wenig und kaufen Biere für ihr nächstes Degustations-Event. Gleichzeitig versuchen sie mich jedes Jahr dazu zu überreden, endlich mal an der Biersommelier-Meisterschaft teilzunehmen.

Die Ausbildung zum Master of Beer hat es in sich

Diese Biersommelières sind auf ihrem Gebiet angesehene Fachkräfte und werden regelmässig angefragt, wenn man mal wieder irgendwo, irgendwas über Bier wissen muss oder, wenn es mal wieder eine Jury für einen Bier-Test im Konsumentenschutz-Magazin „Kassensturz“ braucht. Eine davon arbeitet gerade an ihrem „Master of Beer“. Nur kurz, ich weiss, dass ich abschweife, aber das muss noch rein: Am „Master of Beer“ gibt es Aufgaben, wie z.B. die folgende: Man bekommt 10 verschiedene Lagerbiere aufgetischt und hat eine Stunde Zeit, sich damit zu beschäftigen. Nach einer Stunde Pause bekommt man dieselben 10 Biere wieder, diesmal aber blind und man muss diese nun zuordnen können. Bestanden hat, wer nicht mehr als 2 Fehler macht (also nur ein Bier verwechselt.) Also ich könnte das nicht. Natürlich habe ich dieselbe Ausbildung wie diese Damen und könnte an dieser Meisterschaft mitmachen. Trotzdem habe ich darauf keinen Bock, wie man so schön sagt. Warum?

Das theoretische Wissen für die Meisterschaft ist riesig

Ein Biersommelier, so stellt man sich vor, ist dasselbe, wie ein Wein Sommelier. Er erzählt dem Gast oder dem Kunden etwas zum Bier. Zur Brauerei, der Herkunft und der Geschichte sowie etwas über den Bierstil und das Bier, das gerade im Glas liegt. Optik, Geruch, Geschmack etc. Zu welchem Essen es passt und so weiter. Das heisst, man beschreibt ein bestimmtes Bier. Und genau das macht mir persönlich sehr viel Spass, nur – und nun kommt der Haken an der Sache – ist das eben nicht alles. Bis man an der Meisterschaft zu diesem Punkt kommt, hat man erst mal einen riesigen Theorie-Teil zu bewältigen. Alles, was man je über Bier gelernt hat, wird abgefragt. Dazu muss gesagt sein, dass man wirklich viel gelernt hat, und zwar aus allen Bereichen. Also das Wichtigste, was man beim Brauen wissen muss, alles was man im Gastrobereich wissen muss, sowie alles, was man im Verkauf darüber wissen muss. Da ich ja im Verkauf tätig bin, weiss ich natürlich alles, was man im Verkauf wissen muss. Aber beispielsweise wie die verschiedenen Fittings heissen, mit denen man ein Fass an einer Schankanlage anschliesst, oder wie genau Enzyme arbeiten, das wusste ich zwar mal, aber vieles habe ich bereits wieder vergessen und ich habe keine Lust, das alles wieder von Neuem zu lernen, denn brauchen werde ich solches Wissen nachher wohl nie mehr.

Meine Leidenschaft gilt dem fertigen Bier-Produkt

Nerds verlernen solche Sachen natürlich nicht und ich bewundere das total. Ich finde es super, dass sich immer mehr Leute, gerade auch junge Leute und viele Frauen, dafür interessieren und derart begeistert sind von der Materie. Mir gefällt auch, dass es immer mehr Hobbybrauer*innen gibt und, dass deren Biere immer besser schmecken. Auch das wäre nichts für mich. Ich habe zwar schon einige Male mit Brau-Kits gearbeitet, aber bereits das war mit zu anstrengend. Ich habe herausgefunden, dass mich das fertige Bier-Produkt eigentlich am meisten interessiert – wo es herkommt, wie die Brauer auf die Idee kamen, ob es stiltypisch oder untypisch ist, wie es aussieht, riecht und vor allem schmeckt. Und ja, ich trinke es einfach auch sehr gerne. Würde eine Biermeisterschaft lediglich aus diesem letzten Teil bestehen, dann würde ich mich jedes Jahr anmelden und wäre wahrscheinlich auch immer, soviel gesundes Selbstbewusstsein darf man ruhig haben, gut mit dabei. Aber mit all der Theorie, betrachte ich das lieber interessiert aus der Ferne und überlasse diesen Spass denen, die, unter anderem, dort auch hingehen, um Gleichgesinnte zu treffen, sich auszutauschen und sich zu vernetzen. Und da bin ich jetzt halt nicht ganz so der gesellige Typ dafür.

Ein grosses Prost an alle Bier-Nerds

Ich hole mir jetzt ein schönes Bier aus dem Keller, nehme es mit auf meine sonnengeflutete Gartenbank und werde jeden Schluck davon geniessen, während ich an alle Bier-Nerds da draussen denke. Ich liebe euch.

Prost!

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